Von Maikos und Geikos

 

Nach vielen Kilometern Fußmarsch und einsetzender Dunkelheit, wählte ich auf meinem Rückweg vom Daisen-in Tempel dann irgendwann den Bus. Hatte man das System einmal verstanden, war es ziemlich einfach, den Busplan und die Möglichkeiten, damit durch Kyoto zu reisen, zu verstehen. Glücklicherweise war ich früh auf der Route in den Bus gestiegen und hatte somit noch einen Sitzplatz in dem zunehmend überfüllten Bus ergattert. Man weiß, dass die japanische Kultur einen sehr großen Respekt vor älteren Menschen einfordert und oftmals konnte ich beobachten, wie jüngere Menschen für Ältere aufstanden. Doch nie waren es tatsächlich die ganz jungen Leute. Diese blieben meist, in irgendwelche Spiele auf Ihren Mobils vertieft, einfach sitzen. Schade, dachte ich, wenn auch hier die jungen Menschen ihre kulturellen Gepflogenheiten aufgeben. Es schien mir plötzlich nicht mehr überholt, solche Traditionen zu pflegen. Es war das, was Japan so ganz anders und außergewöhnlich machte. Zudem gab es für eine Reisende wie mich kaum etwas angenehmeres als allenthalben auf ein großes Maß an Höflichkeit zu stossen. Das hatte bisher das Reisen durch Japan sehr angenehm für mich gemacht und auch gewissermaßen sorgenfrei.

Dicht an das Fenster gepresst hatte ich nun aber einen schönen Überblick über die wechselnden Stadtteile. Es hätte mir dann auch niemand sagen müssen, dass wir in Gion angekommen waren. Ich merkte es sofort. Beim Blick nach draußen sah ich, die Straßen wurden kleiner, die aneinandergereihten Häuser, die sogenannten Machiyas, wie man hier die traditionellen und hölzernen Stadthäuser nennt, wurden häufiger, und die Lichtreklamen wurden stärker.
Spelunken wechselten ab mit Spielhallen und es war unverkennbar, dass manche Treppe in das Kellergeschoss eines Hauses für Männer die erotischsten Freuden ankündigte. Eine Art Rotlichtmilleu war es, durch das der Bus fuhr. An der Endstadion, am Bahnhof Gion, ging es aber wieder gesittet zu. Hier konnte man von einem Andenkengeschäft in das nächste schlendern und die Angebote der Restaurants in Form von den üblichen Mustertellern, die tatsächlich wie echte Speisen aussahen, mit großen Augen anschauen. Weit am Ende der Hauptstraße sah man den leuchtend roten Yasaka Schrein.

 

 

 

 

Seinem Leuchten konnte ich nicht widerstehen und es zog mich deshalb zunächst auch dorthin. Ich konnte erleben, wie die Händler ihre Buden und die Imbissbesitzer ihre Läden schlossen. Bis vor einer Stunde, so sah es aus, musste hier noch ein lebhaftes Treiben stattgefunden haben. Ich genoss nun die Stille, mit einigen wenigen abendlichen Spaziergängern. Da die Geschäfte in Japan recht früh am Abend schließen, allemal, so dachte ich, an einem Sonntag, wollte ich aber zunächst auch noch hier in Gion auf die Suche nach einem schönen, authentischen Geschenk gehen. Ich erhoffte mir traditionelle Handwerkskunst. Vielleicht die für Kyoto typischen Puppen, oder gar ein Mobilè mit japanischen Figuren. Tatsächlich fand ich diese Geschäfte dann auch und sie boten sehr schöne Sachen an, leider aber auch unsagbar teuer. Einige Kleinigkeiten fand ich dennoch, ich hatte ja auch auf das Koffergewicht zu achten. Es mussten kleine, leichte Dinge sein, oder ich würde Sie versenden müssen.

Inzwischen war es spät geworden und ich noch sehr weit von meinem Hostel entfernt. Die Frage war, ob ich tatsächlich noch in die dunklen Gassen des Viertels eintauchen sollte. Ich entschied mich dagegen. Aus vielerlei Lektüre wusste ich längst, dass es eine große Ausnahme war, sollte man einer Geisha auf Ihrem Weg begegnen. Es gab hier in Gion entsprechende Gegenden wo sie lebten und lernten, aber die würde ich heute Abend nicht mehr finden. Man muss nämlich unbedingt wissen, dass Geishas etwas besonderes sind. Es gibt nur noch wenige, die diese Kunst erlernen. Wichtig auch zu wissen, dass Geishas keine Prostituierten sind. Schon seit jeher müssen sie eine sehr umfangreiche Ausbildung durchlaufen. Diese begann einstmals traditionell mit der Grundausbildung einer Maiko, also einer Lerngeisha, im Alter von sechs Jahren, sechs Monaten und sechs Tagen, also am 2190. oder 2191. Lebenstag. Erst 1952 änderte man diese Voraussetzungen und legte das Mindestalter auf 16 fest. Dann beginnt aber auch noch heute, die strenge Ausbildung für die Maikos und die dauert ganze fünf Jahre lang. Während dieser Zeit müssen sie die traditionellen japanischen Künste erlernen. Die Kunst der Kalligrafie müssen Sie erlernen, und mehrere Musikinstrumente sollte sie am Ende beherrschen und sie muss sich sehr gut auf Konversation verstehen. Sie muss sowohl eine gute Sängerin als auch Tänzerin, als auch Gastgeberin sein. Ebenso wird erwartet, dass sie die Teezeremonie vollkommen beherrschen. Die Geishas gelten deshalb auch als Bewahrerinnen der traditionellen japanischen Künste und bevorzugen den Namen Geiko, was soviel heißt, wie „Kind der Künste“. Um eine erfolgreiche Geiko zu werden, muss sie außerdem anmutig, charmant, gebildet und geistreich sein. Es versteht sich, dass man von ihr absolute Verschwiegenheit erwartet. Sie muss die Regeln der Etikette beherrschen und Ihre Ausbildung selber bezahlen. Meist wird diese im Vorfeld von den sogenannten Okiyas, das sind die Besitzerinnen der Gemeinschaftsunterkünfte in denen die Maikos beginnen, übernommen. Erfolgreiche Geishas werden sich aber in den meisten Fällen, sobald sie ihre Ausbildungskosten zurückgezahlt haben, selbständig machen und häufig werden aus ihnen sehr erfolgreiche Geschäftsfrauen. Viele Geishas üben ihren Beruf bis ins hohe Alter aus.

Bei der Kundschaft handelt es sich dann auch um einflussreiche und sehr gut situierte Männer der Gesellschaft. Bei den Besuchen geht es überhaupt nicht um Erotik sondern vielmehr darum, den Geist zu beleben und Konversation auf einem sehr hohen intellektuellen Niveau zu führen.

Maikos als auch Geikos tragen eine besondere Kleidung und einen besonderen Haarstil. Mit Ihrer weißen Haut und den roten Lippen entsprechen sie dem japanischen Schönheitsideal.

Geht man durch die Straßen von Gion spazieren, sieht man viele Frauen im Kimono, und tatsächlich tragen auch sehr viele traditionsbewusste Japanerinnen dieses oftmals ab 10.000,- € aufwärts kostende, Kleidungsstück. Es ist sozusagen eine Anschaffung fürs Leben.

Oftmals sieht man aber hier in Gion, und in manchen anderen Gebieten der Stadt sehr viele verkleidete Touristinnen. Man kann es sich so vorstellen, wie bei uns auf dem Oktoberfest, wo neben den traditionell in Tracht gewandeten Münchnern, inzwischen auch die “Zugereisten” aus aller Welt eine kommerzialisierte und aufgepeppt Form der Tracht anlegen. Leider sehe ich an diesem Abend nur diesen Typos Dafür weiß ich aber, dass ich an einem ganz anderen Ort bereits einmal einer Geisha begegnet bin. In typisch weiß geschminktem Gesicht und mit roten Lippen war sie an mir vorbei gehuscht. Da es vor einigen Tagen war, meinte ich seinerzeit noch, es handele sich um eine Verkleidung. Jetzt nachdem ich die Verkleideten gesehen hatte, wusste ich, es muss eine Echte gewesen sein.

 

 

Wie meist, wenn ich den Spuren von Traditonellem, aus lang vergangenen Zeiten, wenn ich tradiertem Wissen und tradierter Handwerkskunst ansichtig werden kann, übt das zumindest auf mich, einen sehr großen Reiz aus. Im Grunde, so denke ich mir auf meinem Heimweg an diesem Abend, könnte man die Kunst der Geishas als Weltkulturerbe anerkennen und die wenigen noch verbliebenen unter den Schutz dieses Siegels stellen.

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