Ein Muss – Miyajima


Der Wunsch war schon im Vorfeld bei der Planung meiner Reise entstanden. Ich wollte unbedingt dieses im Wasser stehende Shinto Tor sehen. Optisch erweckte es den Eindruck auf dem Wasser zu schweben. Dieses hatte es mir bereits auf den vielen Fotos, die in keinem Reiseführer fehlten, angetan.

Mit Japan Rail startete ich am frühen Morgen in Richtung Miyajima – guchi. Dort angekommen, waren es nur einige Meter bis zum Fähranleger. Exakt so, wie es Inge, meine Bekannte aus dem Japanisch Kurs, beschrieben hatte. Auch die Überfahrt war erfreulicherweise im JR-Pass enthalten. Wie alles in Japan ging es auch hier in aller Ruhe und doch schnell, ordentlich in Reihe stehend, aber zügig auf die Fähre. Es ist kaum zu glauben, ich reiste wieder bei strahlendem Sonnenschein. Das obere Deck, auf dem man draußen stehen konnte, ließ ich mir nicht entgehen. Schnell entdeckte ich das O-Torii, das nun immer näher kam.

Nach ca. 1/2 Stunde legte das Fährboot auf Miyajima an. Die Treppenstufen am Ausgang hinunter und schon stand man in dem hübschen, kleinen und einzigen Ort der Insel.
Den am Ausgang gut sichtbar angebrachten Plan der Insel betrachtend, überlegte ich kurz, ob ich mir noch das einige 100 m weiter links stehende Sozialamt ansehen sollte. Es hätte mich schon brennend interessiert, wie so etwas auf solch einer kleinen, überschaubaren japanischen Insel aussehen würde. Alles in allem sah hier nämlich der ganze Ort nach absolut heiler Welt aus. Dann entschied ich mich aber, gegen das berufliche Interesse und dafür, der Tempelanlage und dem Torii den Vorzug zu geben, und bog nach rechts ab.

Rehe und Hirsche, die sich aus dem naheliegenden Omoto Park über die ganze Insel ausgebreitet haben und jede Scheu vor den Menschen verloren, holten die Besucher quasi vom Bahnhof ab, und begleiteten Sie entlang der Omotesando Einkaufsarkade oder auch am schönen weißen Sandstrand entlang in Richtung des Itsukushima Schreins.

Mir machte es Freude, mir den Anblick noch etwas vorzuenthalten. Zum einen, da Ebbe war und ich mir Schrein und Torii bei Flut noch schöner erhoffte, zum anderen würde sich die Spannung auf diesen ältesten Schrein Japans damit noch ein bisschen steigern lassen. Ich bog also ab und stieg eine kleine Anhöhe hinauf zu der fünfstöckigen Pagode, die man schon von weitem aus
den Bäumen hatte herausragen sehen. Es hatte sich gelohnt. In unmittelbarer Nähe stand der Senjokaku. Die Bezeichnung bezieht sich auf die Haupthalle des Hokoku Schreins. Diese war einst von Hideyoshi Toyotomi, dessen Spuren ich schon in Osaka gefolgt war, zu Ehren der Kriegstoten erbaut worden. Es sollte eine Bibliothek werden, in welcher man die buddhistischen Spuren verfolgen konnte. Nach seinem Tod blieb der Schrein aber unvollendet.

 


Ich wandelte umher und genoss den schönen Blick auf das Meer und die 28 Meter hohe Pagode, welche direkt nebenan stand. Sie soll 1407 errichtet worden sein.

Weiter führte mich der Weg nun zu einer Treppe. Schon von oben konnte ich durch die Bäume das Rot der im 6. Jahrhundert errichteten Tempelanlage sehen. Man hat von hier einen sehr guten Überblick über den Aufbau, der seitdem nicht mehr verändert wurde. Das typische Rot der Anlage wurde verwendet, da man glaubte, damit Dämonen und böse Geister abschrecken zu können.
Die Anlage wurde so gebaut, dass sie bei Flut auf dem Wasser zu schwimmen scheint, ebenso wie das berühmte O – Torii. Wirklich im Wasser steht dabei nur die Zermonienhalle. In dieser wurden seinerzeit Tänze und Gesänge für die Götter aufgeführt

Die Götter, die sogenannten Kami, die hier verehrt wurden, waren überwiegend weiblich und hatten Einfluss auf das Meer und die Seefahrt.
Rot zählt gewiss nicht zu meinen Lieblingsfarben. Deshalb dachte ich immer, wenn ich die Fotos sah, die über und über in Rot gehaltene Anlage würde mir sicher nicht gefallen. Weit gefehlt. Aber wie es oftmals im Leben ist, wenn man dann vor Ort ist, wirklich da, können Fotos immer nur ein Abklatsch gewesen sein; es wirkt noch einmal ganz anders in natura.

Fasziniert war ich inzwischen von denen in Rot nur so leuchtenden und vom Meer umgebenen Anlagen. Mit einem fröhlichen Lächeln betrat ich, nachdem ich mir, so wie es der Brauch vorschreibt, Hände und Arme gewaschen hatte, die Eingangshalle. Hier waren eine ganze Menge Sake Fässer aufgebaut. Dieses sind Spenden der gläubigen Menschen und stehen in den meisten Schrein Anlagen gleich am Eingang.


Die Dame, die die Karten prüfte, machte von allen Besuchern, die mit mir gerade ankamen, ein Foto und so bat ich sie auch um diesen Gefallen.

Ich nahm mir sehr viel Zeit für meinen Gang durch diese warmen, hellen Gänge und Hallen. Immer wieder fiel dabei der Blick hinaus aufs Wasser,  oder in anderer Richtung auf die Hänge des Bergs Misen mit seinem wilden Baumbewuchs. Vor der Zeremonienhalle stehend sieht man durch das Torii übers Wasser auf die Außenwelt. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie die früheren Mönche, die wohl nicht viel anders ausgesehen haben mögen wie die, die mir bei meinem Rundgang hier und da begegnet sind, in alten Zeiten in totaler Abgeschiedenheit durch diese Hallen wandelten. Damals, vor mehr als 1400 Jahren, war der Tempel nicht für Normalsterbliche zugänglich. Nur Mönche, weibliche Tänzerinnen und die Götter hatten Zutritt.


Am Ende des Durchgangs führt eine kleine Brücke in die alten Handwerksstrassen. Etwas versteckter liegt dabei die Machiya-Straße, in der man noch sehr viel von dem alten Japan sehen kann. Es gibt Geschäfte und Wohnhäuser, die hier seit Jahrhunderten stehen. In der Takikoji-Gasse waren früher die Residenzen der Priester und kaiserlichen Boten. Geschützt werden diese Häuser mit einem Gitterwerk gegen die Rehe auf Miyajima.

 

 

 

Wiederum erstieg ich eine kleine Anhöhe, die mich dann auf der anderen Seite zum Aquarium führte. Eigentlich bin ich kein Besucher von Zoos und Aquarien, sondern boykottiere solche Einrichtungen eher.  Da ich nun aber schon einmal davor stand und lesen konnte, dass es ca. 1300 seltene Fischarten zu sehen gab, wagte ich mich hinein. Tatsächlich sah ich außergewöhnliche Fische und Meereslebewesen,  aber ich merkte auch, wie ich zunehmend bedrückter wurde. Da konnte auch die lustige Seelöwen – Show nicht helfen. Das Schicksal der Rochen und so vieler anderer Fische hinter der Verglasung, die immer an einer Stelle der hoch und runter schwammen, ging mir dann doch zu sehr unter die Haut. Ich stellte mir vor, dass alle diese Meeresbewohner wie in einer Zwangsjacke, in einer geschlossenen Anstalt, völlig verhaltensgestört,  sich bewegen würden. Nach kurzer Zeit verlies ich diese Einrichtung dann auch wieder und ging zurück in Richtung des Tempels. Bei untergehender Sonne führte mich mein Weg entlang der Uferpromenade und ich konnte in blauviolettem Licht noch einmal das Torii ganz ruhig schweben sehen. Einen letzten Tee trank ich in einem sehr angenehmen,  kleinen Café mit Blick auf die Abendszenerie. Die Rehe lagen unter den Bäumen und schauten in die beleuchtenden Häuser und Auslagen der Schaufenster der Arkade.

 

 

 

 

Schade, gerne wäre ich auf der Insel geblieben, hätte Ihre Ruhe genossen, wenn die vielen Tagesgäste mit der Fähre wieder aufs Festland übergesetzt wären. Wer weiß, vielleicht käme ich nochmals wieder, dann mit  viel mehr Zeit im Gepäck,  um auch eine der schönen Wandertouren auf den Berg und durch die Urwaldgebiete zu machen.


Ach, diese Abschiede. Wie schön die Welt ist!

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