Weihnachten in Neuseeland I

 

Das über Airbnb angemietete Apartment verspricht seinem Namen nach ein „Petit Paradise“ zu sein. Vermietet wird es von den Eheleuten Amanda, einer echten Kiwi und Philipp, der französischer Herkunft ist. Sie bauen weitere Häuser auf dem Grundstück und begrüßen uns einen Tag vor Heilig Abend in Arbeitskluft. Es wird noch eifrig gehämmert und geklopft. Das Appartement ist sehr klein aber die Aussicht auf das entfernte Meer ist beruhigend und schön. Hier also werden wir Weihnachten verbringen. Der erste Spaziergang beginnt vor der Tür. Man läuft über das Grundstück und schon beginnt ein Wald und man landet automatisch auf dem Bush-Walk, ein kleiner Trampelpfad durch den Wald, der seinen Namen zu recht trägt. Dieser führt direkt ans Meer und in nahegelegene Grünanlagen, wo wieder alles von Menschenhand geordnet, sehr gepflegt und blumenreich angelegt ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Reiseführern hatte ich gelesen, dass die Kiwis, bei denen Weihnachten nun einmal mitten in den Sommer fällt, dieses Fest meist im Garten oder am Strand beim BBQ verbringen. Der erste Einkauf besteht dann auch aus Grillgut und einem guten neuseeländischen Wein zum Essen. So, wie auch bei uns, sind die Läden an Weihnachten fast alle geschlossen, die Restaurants überlaufen und die Familien kommen aus allen Herren Ländern zu diesem Fest zusammen. Das ist auch der Grund, weshalb man schon fast ein Vermögen für einen Mietwagen, einen Flug oder eine Hotelübernachtung ausgeben muss. Alles ist unterwegs. Ich bin froh, meine Reise fast vor einem Jahr gebucht zu haben. Das Wetter ist zwar wenig BBQ-freundlich gestimmt, aber der kleine Balkon, an den sich die große Rasenfläche anschließt, ist ein wenig überdacht. Aber auch wenn es mit ca. 17 C wirklich kühl ist, die Palmen, die über unsere Köpfe fliegenden Papageien und die blühende Kapuzinerkresse der Vermieterin im Garten lassen dennoch nicht wirklich Weihnachtsstimmung aufkommen.

 

Es gibt weder im Apartment noch sonst am Haus Weihnachtsschmuck oder weihnachtliche Beleuchtung, aber irgendwie erwartet man das hier auch nicht und es würde für mich, wie überall dort, wo ich es sehen konnte, völlig fehl am Platz wirken. Weihnachtsmänner mit dicken Stiefeln und Mützen und Schlitten passen nicht in diese sommerlich blühende Landschaft. Zwar habe ich beim Einkauf weihnachtliche Teelichter mit Tannenbaummotiv besorgt, aber leider nicht daran gedacht, dass ich weder Streichhölzer noch Feuerzeug im Reisegepäck habe. Das auf der Herdplatte entzündete Papier löst dann am Heiligen Abend glücklicherweise keinen Feueralarm aus.

Der eigentliche Höhepunkt des Festes so erklärt es Amanda, ist am Ersten Weihnachtsfeiertag, da dann die meisten Familienmitglieder oder Freunde angereist sind und – so jedenfalls ist ihre Vermutung -, der in Europa befindliche Teil vieler Familien, ihren Heilig Abend feiert und man diesen Tag für Anrufe wählt. Also eine Gepflogenheit, die dem Zeitunterschied geschuldet ist? Wer weiß, gelesen habe ich das sonst nirgendwo. Aber auch ich nehme selbstverständlich am hiesigen ersten Weihnachtstag Kontakt mit zu Hause auf.

 

 

Während am Tag des 24. noch eifrig gehämmert und gebaut wird, hört man am ersten Weihnachtsfeiertag dann die Familie mit Kindern und Enkel im Obergeschoss spielen, feiern und ich meine neben Unterhaltungen sogar Singen und Musizieren vernommen zu haben.

Tatsächlich ist Auckland und seine Suburbs völlig ruhig in Feiertagsstimmung. Völlig unberührt planen wir die beiden Weihnachtstage zum Sightseeing. Am Heilig Abend entscheiden wir uns für eine der wenigen geöffneten Attraktionen. Der Sky Tower soll es heute sein. Die Fahrt am nachmittag in die Stadt führt vorbei an hier und da dann doch auch weihnachtlich geschmückten Häusern. In der Innenstadt sind noch bis zum Nachmittag die Geschäfte geöffnet. Aber schon ein kleines Stück aus den Haupteinkaufsstraßen heraus, hat sich die weihnachtliche Ruhe angefangen breit zu machen.

Der Vorteil zeigt sich darin, dass es überhaupt kein Problem ist einen Parkplatz in Nähe des Sky Towers zu finden. Schon von weitem ist der imposante Turm zu sehen und für mich ist es nun, nachdem ich auf dem Sky Tree in Tokio schon einmal meine Höhenangst überwunden habe, keine große Herausforderung mehr hinauf zu fahren. Auf diese Idee sind aber nicht nur wir gekommen. In der sogenannten Sky City, in welcher sich 4 rund um die Uhr geöffnete Spielcasinos, zwei Hotels und ein Einkaufszentrum mit vielseitigem Angebot befinden. Hier am Basement, also im unteren Teil des Turms, wimmelt es von Menschen und die Geschäfte haben alle geöffnet. Es ist richtig Leben in der Bude. Wir schlendern durch die vielen Angebote an Läden und Restaurants und verlassen noch einmal das Gebäude nach Aussen, um dieses Mal dicht am Turm nach oben zu schauen. Ich traue meinen Augen nicht, als von oben ein Mensch auf mich zugerast kommt. Kaum haben meine Augen ihn entdeckt ist er auch schon unten angekommen, und wie ich nun sehen kann, hing er an einem Seil, an dem er nun ausschwingt. Ein junger Mann. Er hat es gewagt, den Sky Junp zu machen. 192 Meter in die Tiefe mit 85/km in der Stunde. Nein, dazu reicht mein Wille zur Überwindung der Höhenangst nicht aus. Der Versuch einen nächsten mutigen Kandidaten oder eine Kandidatin mit dem Foto einzufangen misslingt. Kaum sind sie gesprungen, sind sie auch schon unten.
Anders als in Tokio steht hier am Ticketschalter nun kein Mensch. Ich komme sofort an die Reihe und kann die Karten nach oben kaufen. Der Sky Tower hier in Auckland zählt aber auch längst nicht mehr zu den höchsten Türmen der Welt. Es scheint mir am heutigen heiligen Abend mehr so ein Feiertagsvergnügungspark für Familien mit Kindern, für Touristen aus dem fernen Europa und aus Japan zu sein, die hier in der sommerlich gestimmten Stadt am Meer, kein wirkliches Weihnachtsfeeling entwickeln können. Mit dem Aufzug oben angekommen bietet sich ein sehr schöner Blick auf die vielen Meeresbuchten und Grünanlagen der Stadt. Nebenbei erfahren wir auf einem Schild, dass Berlin in 17737 km Entfernung liegt. Weiter kann man von zu Hause nicht weg sein, und ich freue mich, dass ich Weihnachten und Silvester nicht alleine hier am anderen Ende der Welt verbringen muss.

Sky Tower, Auckland

 

Im Sky Cafe lassen wir uns einen Apple Crunch mit Brombeereis und einem sehr guten Café schmecken, und ich beweise nun zum zweiten Mal, dass ich auf der Glasplatte stehen kann, die den Blick nach unten frei gibt. Wir befinden uns hier oben in einer Höhe von 192 Metern.

 

 

 

Der anschließende Spaziergang durch die Stadt beweist nur einmal mehr, dass an Weihnachten in Neuseeland die Familien zu Hause im eigenen Garten feiern. Die Geschäfte haben inzwischen geschlossen und es ist ruhig geworden. Auch wir machen uns zu unserem Heilig-Abend-BBQ wieder in Richtung des schönen Vororts Glen Innes.

 

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