Reisen während der Corona Pandemie II

 

Nach erneut vielen Wochen im Homeoffice stelle ich fest: Tapetenwechsel ist dringend erforderlich. Allemal für jemanden, dem sich im Alltag als Risikopatient nur wenig Möglichkeiten zur Abwechslung bieten. Gut gelaunt starte ich in den Süden Deutschlands, genauer gesagt ins Allgäu. Das mir seit vielen Jahren bekannte Hotel, so scheint mir, hat sich gut auf die Situation eingestellt. Schon bei der Buchung versichert man mir, dass sich Risikobegegnungen im Haus weitgehend vermeiden lassen. Es gilt eine Maskenpflicht und auch sonst werden alle geforderten Beschränkungen sehr ernst genommen und eingehalten. Bei schönem Wetter soll das von mir so über alles geschätzte Sportangebot im Aussenbereich stattfinden. Darüber freue ich mich besonders. Ich habe Nachholbedarf.

Das mit den Mahlzeiten klappt. Diese kann ich alleine im Wintergarten oder bei meist schönem Wetter auch auf der Terrasse mit der herrlichen Aussicht einnehmen. Was das Sportangebot betrifft, liegen Anspruch und Wirklichkeit indes weit auseinander. Es findet leider nur Innen statt. Selbst bei der Aquagymnastik tummeln sich die Teilnehmer in der kuscheligen Wärme des Innenpools während draußen die Sonne auf den menschenleeren Pool scheint. Ergo:  Ich bin raus und das im doppelten Wortsinn. Ich mache mein eigenes Programm und genieße früh am Morgen ganz alleine für mich den Aussenpool mit Blick auf die Allgäuer Alpen.  Die Wanderungen durch die sommerliche Natur, die Vielfalt an Blumen und die Wohlgerüche von frischem Heu lassen die Enge der Homeoffice Zeit vergessen. Es gilt, die intensiven Sinneseindrücke tief aufzunehmen, – der bevorstehende Herbst und Winter mit steigenden Infektionszahlen kann lange werden -. 

 

 

 

 

 

 

Es wäre nicht wahr, würde ich behaupten, dass mir nichts fehlt. Die schönen Nachmittage mit Live Musik auf der Alpe. Die Begegnungen im Hotel, gemeinsame Abendessen und Barbesuche, Tanzen bis in die Nacht, der Sport mit Gleichgesinnten, alles das ist nicht möglich und so ziehe ich alleine meine Runden, bin Zuschauer der Gäste, die es nicht ganz so ernst nehmen. Einen Besuch auf der Alpe, lass ich mir nicht nehmen. Auch hier werden die Besucher von den üblichen Hinweisschildern begrüßt. Es gelten die AHA-Gebote. Die Musik läuft vom Band, und die sonst so herzlich zugewandte Wirtin Anne wirkt mit der durchsichtigen Maske und dem sorgsam gewahrten Abstand zu ihren Gästen doch sehr viel distanzierter, irgendwie weiter weg. Ich freue mich sie wiederzusehen, aber ein Umarmung darf nicht sein.  Alles kommt mir ein bisschen unwirklich vor, als säße ich unter einer Glasglocke. Natürlich kann man am Tisch die Masken ablegen. Die Urlauber um mich herum scheinen gewillt, den Beschränkungen zu trotzen. So wie überall erlebe ich sie viel eher geneigt, dass Leben so weitergehen zu lassen, wie sie es gewohnt sind. Nur keine Einschränkungen, es wird schon nicht so schlimm kommen. Auch hier auf den gemütlichen Holzbänken mit Blick auf immer noch saftige Wiesen, will man den Alltag vergessen und eigentlich auch gerne die Pandemie. Wären da nicht die Gefahren, die den Wirten und Geschäftstreibenden drohen, wenn es in ihren Häusern zu einer Infektion kommt, ich glaube, die Menschen würden feiern, singen und tanzen, als hätte es Sars- CoV-2 nie gegeben.  Da treffen die Interessen aufeinander und mir scheint, es ist eine unvorstellbare Gratwanderung auch für die Wirtin auf dieser wunderschönen Alpe, zwischen dem Anspruch der Gäste,  ausgelassen feiern zu wollen, und der Sicherung ihrer Existenzgrundlage.  

Allenthalben erlebe ich die Menschen im Urlaubsmodus eher unvorsichtig, nicht nur hier auf der gemütlichen Alpe. Erschrocken, ja geradezu fassungslos reagieren sie, wenn ich meinerseits den Abstand einfordere. Egal ob es bei Begegnungen an Engstellen oder beim Schlendern durch die Fussgängerzone in Lindau ist.  Kaum einer scheint mir, hat ernsthafte Bedenken. Nur in ganz seltenen Ausnahmen sehe ich die Menschen, die so wie ich, bewusst Begegnungsnähe vermeiden. „Ach,  bei uns können Sie die Maske ablassen, hier gibt es kein Corona“, ist ein Satz, den ich mehr als einmal höre. „Das ist doch alles übertrieben“, ertönt es dann auch mindestens genau so oft.  Beruhigungsformeln um sich nicht selbst ein klein wenig disziplinieren zu müssen? Ich gestehe, ich bin maßlos überrascht,  dass scheinbar die Mehrzahl der Menschen nicht einmal bereit zum kleinsten Verzicht ist. Während meines Ausflugs zurück in die Welt außerhalb meines Homeoffice, muss ich erstaunt konstatieren, hier draußen geht das Leben weiter, so als seien die Bilder der Anfänge dieser Pandemie aus den Kliniken im Elsaß oder von den massenhaften Toten aus Bergamo oder New York nur eine Mär gewesen. 

Das hatte ich mir anders vorgestellt. Aber was soll`s. Ich ziehe die Vorsicht der Nachsicht vor. Getreu dem Motto, welches ich kürzlich las: „Lieber ein Maske im Gesicht als ein Zettel am Zeh“ trage ich drinnen FFP 3  und erfreue mich an Natur und Außenpool. 

 

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