Als der Blick aus dem kleinen Fenster der Maschine von den vielfach changierenden Blau- und Grüntönen in das monotone dunkle Blau des unendlichen Ozeans übergeht, lehne ich mich zurück und schließe meine Augen. Ein Kaleidoskop entsteht, zunächst voller Farben und dann entstehen Bilder. So ereignislos das Leben auf der kleinen Insel mir auch erschienen war, in meinem Geist hatte es eine diametrale Wirkung erzeugt. Ich hatte Zeit und Raum gehabt, alles wirken zu lassen und die Gedanken zu ordnen. Rege Geschäftigkeit im Kopf. Die wenigen, aber intensiven Kontakte und Gespräche auf der Insel, insbesondere mit Menema, hatten sich tief in mein Gedächtnis und mein Fühlen eingegraben. Die Langsamkeit des Erlebens hatte auch zu deren Tiefe beigetragen. Erstmals auf dieser ereignisreichen Reise spürte ich etwas wie Abschiedsschmerz, gab es keine aufgeregte, freudige Erwartung auf das Nächste, auf das Neue. Trotz des Kaleidoskops an Bildern und Farben vor meinem geistigen Auge, war ich ruhig, aufgeräumt und voller Zufriedenheit. Ich spürte, dass ich auf dieser kleinen Insel, inmitten dieser Ordnung und den familiären Banden, die auch mich umfasst hatten, mit dem ruhigen Gleichmaß der Tage, in einen für mich idealen Zustand geraten war.
Nach Wochen der aufregendsten Erlebnisse, der Entgrenzung beim Sehen, Fühlen und Erleben hatte ich hier zur Ruhe gefunden, hatte die Ordnung des hiesigen Lebens in mir aufgenommen und auch mein inneres Haus bestellt.
So flog ich nun der Welt entgegen, die auf Aitutaki keine Rolle gespielt hatte, die den geordneten Ablauf der Tage nicht gestört und auch nicht beeinträchtigt hatte. Wie, wenn man Fotos ordnet und sie in ein Album klebt, sie beschriftet und das Album schließt, hatte ich hier die Gelegenheit gehabt, mein Füllhorn an Eindrücken zu ordnen, zu beschriften und abzulegen.
Mir war ohne den kleinsten Zweifel klar, dass dies das ideale Muster war, nach welchem mein Leben gewebt sein sollte. Eine Mischung aus Erleben, Eindrücken und aus Schnelligkeit im Wechsel mit Phasen der Besinnung, der Verarbeitung und der Langsamkeit. Die platonische Idee meines Lebensrhythmus.
Kaum würde ich so ein Ideal mehr leben können, aber es haute mich fasst um, in diesem Augenblicke gewiss zu werden, dass ich es einmal hatte erleben dürfen, mehr als einen Blick darauf werfen konnte, und diese Gewissheit offenbarte sich mir hier oben in den unendlichen Weiten des Himmels über den unendlichen Weiten des Pazifiks unter mir. Ich ließ diesen Gedanken auf mich wirken und dann ließ mich die Gewissheit, eine Art Ideal meines Lebens gelebt zu haben, tief und ganz ruhig atmen.
Auf Rarotonga betrat ich vertrauten Boden und ging dem Ausgang entgegen, hinter dem nun einige Tage mit veränderten Umständen auf mich warteten. Ich würde zwar in einem Selbstversorger Appartement wohnen, aber drum herum würden sich, da es eine Anlage war, die Annehmlichkeiten eines Hotels damit verbinden. Das hieße, dass das Bett für mich gemacht würde und das Zimmer täglich gereinigt und es hieß, dass man mich vom Flughafen abholen würde. Der Kleinbus stand auch schon vor der Tür, ein junger Mann, der sich als Will vorstellte, lud meinen Koffer ein, hielt mir die Tür auf und setzte dann das angeregte Gespräch mit einem Bekannten fort, den er während, er hier auf mich gewartet hatte, getroffen hatte. Längst an die Langsamkeit der Inseln gewöhnt, wartete nun ich, im Wagen sitzend, in dem ich wieder ein bisschen die Augen schloss.
Die Appartement Anlage, die ich gebucht hatte, lag an der Muri Beach. Im Dumont Reiseführer hatte gestanden, es sei der schönste Strand der Insel mit Ausblick auf die Lagune und ihren vier Motu.
Auf der Fahrt versuchte ich von Will einige Hinweise und Tips zu erhalten. So fragte ich, wo man gut Essen gehen könne und wo es die seriösesten Anbieter von schwarzen Perlen gäbe. Bei seinen Auskünften verzichtete er jedoch auch auf den Hauch einer Bewertung. Stattdessen zeigte er emsig auf jedes Schmuckgeschäft und jedes Restaurant. Damit wurde die ca. 30 Minuten dauernde Fahrt sehr kurzweilig, und ich blieb so schlau wie schon zu vor. In Muri angekommen, brauchte es nicht viel, um mit einem Blick zu erfassen, dass ich hier in einer Touristenhochburg eingezogen war. Menschen über Menschen liefen auf der Hauptstraße, an welcher sich auch die Hotelanlage befand, entlang, und es ging zu, wie auf einem Wimmelbild.
Will wies mich darauf hin, dass heute Abend ein Food Market direkt vor der Appartementanlage statt fand. Einheimische boten dort traditionelle Gerichte an und man konnte von Stand zu Stand gehen, um alles zu versuchen.
Die Rezeption war bei unserer Ankunft nicht mehr besetzt und so trug Will meinen Koffer durch einen Garten vor das Appartement. Mein erster Eindruck stellte mich zufrieden. Wenn auch keine einsame Beachvilla, so doch ein alleinstehendes Appartement mit Blick in einen schönen Garten, in welchem die Vögel sangen und die Hühner spazieren gingen.
Schnell packte ich einige Sachen aus dem Koffer und verließ die Anlage auf das Gelände des Food Markets. Ich schlenderte von Stand zu Stand und ließ meine Augen und Nase sich von dem Angebot an Speisen und Getränken überzeugen. Eine Auswahl zu treffen fiel mir schwer und die Portionen, die die Menschen zu den Tischen und Bänken trugen, lies mich den Gedanken an mehrere Versuche schnell aufgeben.
Irgendwann entschied ich mich dann aber für eine Art indisches Curry mit Fisch und trug den randvoll gefüllten Pappteller an einen der Tische. Es war leicht Kontakt zu finden. Einheimische und Touristen ließen es sich Schulter an Schulter auf den Holzbänken schmecken, während ein Duo gut gelaunte Livemusik bot.
Immer wieder aufs neue erstaunt, konnte ich auch hier die typisch westlichen Touristen beobachten, deren vulgärer Kleidungsstil keine Geschmacklosigkeit zu vermeiden suchte. Da hingen die Speckrollen aus den viel zu kurzen Höschen und halfen tiefere, unappetitlichere Einblicke zu verhindern. Da quollen die Speckarme aus den viel zu engen Tops und durch die viel zu dünnen Stoffe ließen sich anatomische Studien zur altersbedingten Veränderung der Brustbeschaffenheit durchführen. Dagegen die Cook – Insulaner, einmal mehr mit Würde, bunten, geblümten Kleidern, weißen Hemden und gebügelten Hosen.
Verkehrte Welt dachte ich, schmunzelte und ging satt und zufrieden zurück auf meine ruhige Terrasse.
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