Der Flug mit Emirates ist sehr angenehm. Zum Essen nach Wahl gibt es Metallbesteck und Gläser anstatt Pappbecher. Die Flugzeugtoilette versorgt den Besucher mit Handcreme und Erfrischungstüchern und das alles in der Economy Class. Kleine Beutelchen, die auf den Sitzen liegen, enthalten Kopfhörer und andere Kleinigkeiten, die man auf einem Flug gut gebrauchen kann. Das ist wie fliegen bei uns in den Siebzigern, als man noch Beinfreiheit und anständiges Essen bekam. Etwas über 4 Stunden dauert der Flug von Auckland nach Melbourne.
Wir kommen spät in Melbourne an und holen den gebuchten SUV in der Autovermietung ab. Dann geht es dank Google Maps recht flott nach St. Kilda. Ein Vorort von Melbourne mit Beach und Vergnügungspark. Das Hotel ist enttäuschend. Zwar sauber, aber die Zimmer völlig in die Jahre gekommen, die Klimaanlage unerträglich laut und der Blick auf die Straße wenig schön. Wenn man die Fenster öffnet, dringt Partylärm aus der gegenüberliegenden Diskothek ins Zimmer und an Schlaf ist nicht zu denken. Irgendwann siegt dann doch die Müdigkeit eines Reisetages über die Aufgekratztheit eines solchen, als auch über die vielen lauten Geräusche, und endlich fallen die Augen zu.
Frühstück in diesem Hotel verspricht wenig Genuss und so versuchen wir es mit einem gut bewerteten Lokal, etwas versteckt auf einem Hinterhof der Einkaufsstraße in St. Kilda. „Monk- Bodhi Dharma“ ist dann auch absolut keine Enttäuschung. Benannt nach einem indischen Mönch aus dem 5 Jahrhundert bietet dieses “Kaffee- und Teehaus” neben veganer und vegetarischer Küche auch Kaffee aus der eigenen Rösterei. Das in einer alten Fabrikhalle eher rustikal ausgestattete Café ist zur Frühstückszeit schon sehr begehrt und wir müssen mit anderen draußen auf den Getränkekisten warten, bis ein Platz an der langen Tafel frei wird.
Die Gerichte sind außergewöhnlich, aber alles aus frischen Zutaten, sehr schmackhaft und sowohl Kaffee als auch Tee schmecken herrlich. Alles, Lage, Aussehen und Einrichtung passt ins Umfeld. Wenn man durch St. Kilda spaziert, fühlt man sich so, als sei man aus einer Zeitmaschine gestiegen und irgendwo zwischen 1968 und 1978 ausgestiegen. In den Fenstern hängen Peace – Zeichen, Buddha Bilder und Batik Tücher, es brennen Räucherstäbchen und die Männer tragen Baghwan-Shirts und langes Haar, so wie die Frauen bunte Hippie -Gewänder. Dazwischen laufen die Backpacker der heutigen Zeit und suchen eine Unterkunft, und die sportlichen Dandys joggen an der Beach entlang. In guter Nachbarschaft zu dieser Szene leben Künstler, Musiker, Galeriebesitzer und Bücherwürmer, so jedenfalls deute ich die hier und da und vor allem vor der öffentlichen Bibliothek sitzenden, in Bücher vertieften Menschen.
Nachts verwandelt sich St. Kilda in eine Partymeile und die Jugend aus der Gegend kommt mit der Straßenbahn aus der Stadt gefahren, und von überall auf der Welt kommen junge Menschen angereist. Sobald es dunkel wird und man das Abendessen in einem der unzähligen Restaurants verzehrt hat, flaniert und tanzt man sich im Viertel durch die Nacht. Zwei hübsche blonde Mädchen aus Deutschland stehen in der Eisdiele am Eck der Aclant Street und verkaufen uns gutgelaunt eine Waffel mit exotischen Eissorten. Morgens findet man dann noch den einen oder anderen übrig gebliebenen Nachtschwärmer am Strand. Hier und da sind ein paar Überreste der Partys liegen geblieben. Bis die jungen Muttis mit den Kinderwagen die Strandpromenade entlang fahren, sind die Flaschen vom örtlichen Reinigungsdienst aber längst weggeräumt und entsorgt worden.
Nun öffnet auch der Luna Park. Ein ebenfalls in die Jahre gekommener Vergnügungspark mit Achterbahnen und vielen anderen Fahrgeschäften. Er würde nicht ins Viertel passen, hätte er nicht auch die Patina vieler vergangener Jahre auf der Oberfläche.
Trotz nächtlichem Lärms wird mir St. Kilda zunehmend sympathischer. Die Gegensätze von Retro und Avantgarde, von heimelig und weltoffen, von jung und alt gefallen mir. Sie machen es leicht, eine eigene Nische zu finden, und sei es nur beim Essen.
Nach dem Frühstück nehmen wir die Straßenbahn, um uns in die Großstadt zu stürzen, zu boxen besser gesagt, denn wir dürfen einen Tag nach Weihnachten die kommerzialisierte Version des „Boxing Days” erleben. Das beginnt schon in der Bahn, in der man nicht mal mehr einen Stehplatz findet, als sie sich dem Zentrum nähert. Alle scheinen umtauschen oder die überall angekündigten Rabatte und Schlußverkaufsangebote ergattern zu wollen. Ich versorge mich mit notwendig gewordener Memorycard für meine Kamera und, wie immer vergeblich, halte ich nach kofferfreundlichen Geschenken Ausschau. Die müssen noch erfunden werden. Vogelfedern in den Nationalfarben wären so eine Idee, denke ich schmunzelnd, denn eigentlich muss ich auch noch weiterhin mit jedem Gramm knausern, das mit mir auf die noch lange dauernde Reise geht. Die Dame, die ich in der Straßenbahn kennen lerne, ist aus Belgien und lebt die Hälfte des Jahres mit ihrem Mann in Melbourne. Sie versorgt uns mit Einkaufs- und Besichtigungstips und macht die halbstündige Fahrt zur Kurzweil. Melbourne ist eine Multikulti – Stadt. Die Menschen sind freundlich und gehen auf andere zu. Das hatte ich ja bereits in Japan erleben dürfen, als mich das australische Paar aus Melbourne, welches ich an der Bushaltestelle am Yamanaka See kennen gelernt hatte, kurzerhand zu sich nach Hause einlud.
Um so mehr erschreckt es mich, als mich die Nachrichten, die mir von zu Hause nur allzu vertraut waren, auch hier im fernen Australien,- am anderen Ende der Welt -, wieder einholen. Noch vor 2 Tagen hatte die Polizei einen terroristischen Anschlag im Stadtzentrum Melbournes vereiteln können. Der Bahnhof Flinders Street und die Paulus-Kathedrale, auf die ich jetzt gerade zugehe, sollten Ziel eines Anschlags werden. Die 7 Verdächtigen waren zwar überwiegend in Australien geboren aber libanesischer und ägyptischer Herkunft. Die jungen Männer hatten sich bei Ihrem Tatmotiv “von den IS-Terroristen inspirieren lassen”, so die Darstellung der örtlichen Presse.
Nach meiner Zeit in Japan schien das alles so weit weg zu sein. Nun war es wieder da. In den Abendnachrichten erfuhren wir dann von Bombendrohungen in Sydney. Dort wollten wir Silvester verbringen, wie die erwarteten 1,5 Millionen anderen Besucher auch. Schade, dachte ich, es war so ein ganz spezielles Gefühl gewesen, einmal ohne diesen Terror zu leben. In irgend einer Weise hatte sich bei mir eine Entspannung eingestellt, deren Ursache mir zunächst nicht bewusst gewesen war. Erst nach einiger Zeit, war mir unvermittelt klar geworden, dass es auch an den nicht vorhandenen Terror- und Schreckensmeldungen lag.
Den Stadtbummel beendeten wir mit einem Spaziergang über die South Wharf Promenade. Hier soll es ein Outlet der Firma Icebreaker geben, dass wir auch neben vielen anderen Markengeschäften finden. Schöne Geschäfte, tolle Pubs und Bars und sogar ein Hofbräuhaus laden zum Verweilen an der Waterfront ein. In einer netten Bar lehnen wir uns mit dem Blick aufs Wasser zurück und können dort auch eine leckere Kleinigkeit essen. Vorbei an dem Museumsschiff Polly Woodside, dass einst in Belfast gebaut wurde und als Frachtsegler um die Welt fuhr, gehen wir langsam in Richtung Bus- und Straßenbahn. Melbourne ist eine angenehme Stadt, ich hätte durchaus noch bleiben können
Dieser Inhalt ist registrierten Benutzern vorbehalten. Bitte logge dich ein, oder registriere dich.