Abschied von Japan

Abschied in Narita

Ich hatte noch den ganzen Tag in Tokio verbracht und war dann spät ins Hotel gekommen, wo ich mein Gepäck hatte deponieren können. Eine mir besonders sympathische Angestellte des Hotels sah mich kommen und wusste schon, was ich begehrte, öffnete die Tür zu einem Raum hinter der Rezeption und holte meinen Koffer. Sie rief auch das Taxi für mich. Als es da war, erklärte Sie dem Taxifahrer genau, an welche Stelle des großen Bahnhofs er mich zu bringen hatte. Das alles tat sie ohne meine Aufforderung. Bis heute bedaure ich, ihren Namen nicht zu kennen. Zu gerne hätte ich ihn erwähnt oder in eine Bewertung gebracht, die man im Anschluss an die Hotelaufenthalte immer abgeben kann. Sie war von meiner Ankunft bis zu meiner Abreise der gute Geist des Hotels und wann immer ich etwas zu fragen oder zu regeln hatte, war ich froh, wenn ich sie hinter dem großen Tresen sah. Oft danach habe ich noch immer an Ihre dezente Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft denken müssen.

Der Taxifahrer tat wie ihm geheißen und fuhr mich exakt an den richtigen Eingang. Umrahmt von Baustellenzäunen hätte ich sicher meine liebe Not gehabt ihn sonst auszumachen. Eigentlich hätte er auch dort nicht anhalten können, tat es aber in einer ganz kleinen zur Verfügung stehenden Lücke. Hinter den Bauzäunen ragte der schöne, neobarocke Bau mit Kuppel heraus. Die Architektur des Gebäudes ist dem Amsterdamer Hauptbahnhof nachempfunden und erst in 2012 wurde der Bau komplett restauriert. Drinnen angekommen, bestaunte ich die wunderschöne Kuppel und  musste  dennoch ein klein wenig suchen, bis ich den Bahnsteig für den Narita Express gefunden hatte. Unsicher war ich, da ich ja nicht zum Flughafen wollte sondern in der Stadt Narita mein Hotel gebucht hatte. Aber man versicherte mir an zwei bis drei Anlaufstellen, an denen ich fragte, dass der Flughafen Express auch dort anhalten würde.


Die Fahrt nach Narita und zum Flughafen dauert dann trotz Schnellzug noch einmal eine Stunde. Ich war nicht der einzige Fahrgast, der mit großem Gepäck in Narita Stadt ausstieg, sondern mit mir eine Reihe weiterer Reisender und nicht wenige davon, liefen mit mir auch zum gleichen Hotel, dessen erleuchteter Schriftzug schon vom Bahnhof aus zu sehen gewesen war.
In der Eingangshalle des Hotels angekommen, sah es dann aus wie auf einem Wimmelbild. Da standen die Crews verschiedener Airlines oder hingen in den Sesseln der Lobby und wurden mit ihren Zimmerschlüsseln versorgt; da sah ich tatsächlich auch einige der Gesichter aus dem Zugabteil wieder und da bestiegen ganze Reisegruppen ihren vor der Tür wartenden Bus. Die Rezeption schien auf diese Massenabfertigung sehr gut eingestellt zu sein, die Zimmervergabe lief jedenfalls wie am Schnürchen. Das Warten in der Schlange vor der Rezeption nahm ich kaum wahr, soviel gab es  um mich herum  zu beobachten und zu Erfassen. Einmal an der Reihe, wurde auch mir die unversehrte Freundlichkeit der Angestellten zu Teil, die mir in aller Ruhe, eine auf jede meiner Wünsche und Fragen eingehende Auskunft und Unterstützung gab. Auf einem Stadtplan erklärt sie mir auch noch wo ich dies und das noch zu Suchende fände und mein „Late check out“ am nächsten Tag wäre überhaupt kein Problem. Sie buchte den Shuttlebus zum Airport zur gewünschten Zeit für mich und bis zu diesem Zeitpunkt würde ich das Zimmer für einen kleinen Aufpreis nutzen können. Sie codierte die Karte fürs Zimmer und händigte mir die Informationen zum Wifi-Zugang aus. An der Wand hing der Bildschirm analog zum Airport mit den Arrivals und Departures und in wenigen Minuten war auch ich mit allem und ein paar zusätzlichen Tips zum Einkaufen in der Stadt versorgt und konnte in den Aufzug gehen. Dies tat ich mit den Piloten der Quantas, die zum Scherzen aufgelegt waren und nun fing auch ich an, mich zu entspannen und meine Entscheidung, Tokio einen Tag früher zu verlassen, nicht weiter zu bereuen. Jetzt konnte nichts mehr schief gehen, ich würde morgen pünktlich meinen Flieger nach Auckland erreichen und hatte noch heute Abend und mehr als den halben Tag Morgen für die Suche nach ein paar Geschenken und Erledigungen.

Das mit dem Namen „Seychelles“ völlig falsche Erwartungen weckende Hotelrestaurant lies ich am Abend dann auch links liegen und trat hinaus in die nächtliche Kleinstadt. Es gab eine Hauptstraße durch den Ort, auf der ein Restaurant und eine Bar nach der anderen auf die Gäste warteten. Die hilfsbereite Dame am Empfang hatte sogar einen Tip gehabt, wo ich eventuell nochmal mein bevorzugtes japanisches Gericht „Okonomiyaki“ bekommen würde. Also stiefelte ich los. Sehr schnell merkte ich, in dieser Kleinstadt steppt der Bär. Die Bierlokale waren alle gut gefüllt und auch die Restaurants konnten über Gäste nicht klagen, wie mir schien. Darüber hinaus fiel mir auf, dass die Gäste aus allen Herren Ländern zu kommen schienen. Ich hörte holländisch, spanisch, französisch und manch andere Sprache, die ich nicht identifizieren konnte. Aber die skandinavischen Sprachen waren ebenso dabei, wie russisch. Anscheinend war das hier ein Sammelbecken Durchreisender, die auf ihren Flug warteten. Alkohol war ein Top Thema, soviel konnte ich durch die Fenster sehen. Es ging hoch her. Auch wenn Vergleiche hinken, ich fühlte mich stark an Tijuana erinnert, die Grenzstadt an der amerikanisch mexikanischen Grenze. Das war ein vergleichbarer Spirit, der hier herrschte. Hoch die Tassen und das Motto heut` ist heut`. Feiern zwischen den Ländern, zwischen dem Heut und dem Morgen, zwischen Einsamkeit und fremder Gesellschaft. Eine Athmosphäre wie in einer Hafenstadt, nur dass die Matrosen hier Stewards waren; Geschäftsleute waren hier unterwegs und Händler aus allen Nationen.

 

 

 

 

 

 

 

Etwas abgelegen von der Feiermeile, in einer kleinen Nebenstraße, fand ich mit Hilfe einer netten japanischen Einwohnerin, die ich nach dem Weg fragend angesprochenen hatte, das gesuchte Lokal, das Okonomiyaki versprach. Es sah nicht weniger nach einer Spelunke aus, wie die anderen Lokale, aber es versprach das gesuchte Gericht. Drei Amerikaner saßen an der Esstheke als ich durch die Vorhänge den kleinen Raum betrat. Eine in schwarz gekleidete, sehr dünne Frau wies mir einen Platz am anderen Ende der Theke an und legte eine kleine, verschmutze und klebrige Karte vor mir auf den Tresen. Das Lesen der Karte ließ mir trotz allen äußeren Eindrücken doch das Wasser im Mund zusammen laufen. Was sollte es, dachte ich, alles wird auf der heißen Herdplatte hergestellt.

 

 

 

Die Amerikaner, die ihrer Sprache nach zu urteilen aus einem der mittleren ländlichen Staaten stammten, vielleicht aus Idaho, hatten Spass und lachten viel. Sie schienen nicht auf Durchreise zu sein. Vielleicht Techniker einer hier ansässigen Firma. Sie trugen karierte Hemden im Holzfäller Look und ausgebeulte Jeans und schienen die Wirtin zu kennen. Diese verzog zwar keine Mine, aber die verabschiedeten sich dann schon bald sehr vertraut und grüßten bis zum nächsten Mal. Einer der wilden Kerle trug eine Tasche mit Babywindeln. Allem Anschein nach hatten sie sich hier zu einem Dämmerschoppen nach dem Einkauf getroffen. Nun forderte mich die Dame auf in den vorderen Bereich auf die soeben verlassenen Plätze zu wechseln. Das tat ich und bestellte mir mein Leibgericht. Es würde schmecken. 3 hemdsärmelige Amerikaner können sich nicht irren und wären keine Stammgäste, wenn es an der Qualität der Speisen etwas auszusetzen gäbe. Noch bevor mein Essen vor mir auf der Herdplatte zu bruzeln begann, kamen erneut Gäste. Wiederum waren es 3 Männer, sehr jung und einer von Ihnen ganz lustig und gesprächig drauf, die anderen beiden ein bisschen schüchtern. Sofort wollte er wissen wo ich herkäme. Aus Deutschland? Na so ein Zufall, er auch, sagte er, in einem guten aber nicht akzentfreien Deutsch. Es war ein Steward der Britisch Airways. Der Vater sei Deutscher, die Mutter Britisch. Er sei in beiden Ländern aufgewachsen. Die anderen beiden waren jeweils von Air New Zealand und nochmals von Britisch Airways. Es war eine nette Unterhaltung und ich bekam auch ein paar gute Tips für meinen Flug morgen mit New Zealand Air, vor allem das Problem des Weiterflugs von Auckland nach Wellington mit Übergepäck konnte so gelöst werden. Inzwischen wurde mein Okonomiyaki auf der Herdplatte vor mich hingeschoben. Es schmeckte ausgesprochen gut. Nach dem Essen verneinte ich das Angebot eines weiteren Biers und bat um meine Rechnung. Die Stewards hatten bestimmt noch besseres vor, als eine deutsche Alleinreisende im ungefähren Alter ihrer Mütter zu unterhalten. Wenn mein Eindruck mich nicht täuschte, begann der jüngere von beiden schon eifersüchtig auf das Geschehen zu schielen und auf die Zeit, die sein Objekt der Begierde mit lauschigen Plaudereien mit mir verschwendete. Mit der Feststellung, dass wir alle Weihnachten in einem anderen Erdteil, nämlich der Halbdeutsche in Kanada, die anderen beiden in England und ich in Neuseeland verbringen würden, verabschiedeten wir uns lachend und ich machte mich, noch den Geschmack des Okonomiyakis auf der Zunge, auf den Rückweg.

Das Zimmer war nicht wirklich schön, es war abgewohnt, der Blick ging auf die Gleise eines der beiden Bahnhöfe von Narita, aber ich schlief recht gut und entspannt. Der Hotelbus würde mich morgen gegen 15 Uhr an den Flughafen bringen.

Den Vormittag verbrachte ich dann auch wiederum in der lebhaften Hauptstraße und traute nun im Licht des Tages meinen Augen kaum. Da hatten sich in der Nacht für mich unsichtbar auch noch eine Menge von Andenkenläden und sogar Geschäfte mit echter Handwerkskunst zwischen den Bars und Bierschenken versteckt. Hier konnte ich nun noch mal meine bisher gemachten Eindrücke aus ganz West- und Zentral Honschu in konzentrierter Form wiederfinden. Es war wie ein Japan en Miniature. Da waren Läden, die verkauften kostbare Kimonos und traditionelle Kleidung für die Herren. Schuhgeschäfte, Teegeschäfte, Seifenhersteller und Apotheken, die alle Kräuter der chinesischen Medizin als auch der Schulmedizin in den Regalen stehen hatten. Teilweise konnte man den Handwerkern bei Ihren kunstfertigen Arbeiten zusehen. Etwa in der Mitte dieser Handelsstraße gab es einen wunderschönen Schrein, den Narita-san Shinsho-ji, der sehr alt war. Nein, das alles hätte ich hier nicht erwartet. Ich dachte, in eine unpersönliche Stadt zu kommen, die zufälliger Weise irgendwann den Hauptstadtflughafen auf die grüne Wiese gestellt bekam. Aber das hier war eine Stadt mit zwei Gesichtern. Einem, die Traditionen wahrenden touristischen Tagesantlitz, und ein nächtliches Eldorado für Nachtschwärmer aus allen Herren Ländern.

 

 

 

Warten auf Gäste

 

 

 

 

 

 

 

Ach was für ein gelungener Abschied von dem Land in das ich nie wirklich reisen wollte, und das mich durch die Hintertür mit seinem äußerlich verborgenem Tiefgang stark beeindruckt hatte. Die östlichen Philosophien zogen sich durch alles Tun und Handeln dieser Menschen.

 

Wie es nicht anders zu erwarten war fuhr der Bus pünktlich am Hotel ab. Ich musste mich um nichts kümmern. Er hielt vor der Tür, die mich zur Abfertigung der internationalen Flüge brachte. Einchecken war ein einfaches Unterfangen. In kürzester Zeit war ich meine Koffer los, konnte noch das Postoffice besuchen, wo ich eine ausführliche Beratung erhielt zu den beiden Päckchen, die ich nach Deutschland zu senden hatte und dann, ganz entspannt, saß ich in der Wartelounge des Flughafens und wartete auf meinen Flug nach Auckland.

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