Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes und die damit verbundenen Beschränkungen sollen weiterhin bis zum 14.06.20 bestehen bleiben. Das heißt, nicht notwendige Reisen ins Ausland sollten tunlichst unterlassen werden. Man will am Erfordernis eines triftigen Einreisegrundes festhalten und kündigt Binnengrenzkontrollen bis zum 15. Juni 2020 an.
Das sind die Regelungen just zu dem Zeitpunkt, an dem für mich die im Januar bereits getätigte Buchung des Zimmers in Cadzand vor der Tür steht. Es sind nicht wenige Recherchen erforderlich, um herauszufinden, dass eine Reise durch Holland trotzdem möglich sein sollte. Wunschdenken? Für Belgien, durch das man einen großen Teil der Strecke fährt, sieht es nicht so einfach aus, weshalb ich es vermeiden muss.
An Christi Himmelfahrt wage ich es dann und mache mich auf den Weg in mein geliebtes Holland. Dem Navi folgend, das mich nur durch Holland führen soll, und das an jeder Kreuzung versucht mich über Antwerpen zu schicken, komme ich nach über 6 Stunden am Abend an. Das Fazit: Fast zwei Stunden mehr, als ich sonst auf der bekannten Route durch Belgien brauche. Nicht ganz ohne Einfluss ist dabei sicherlich auch die seit 16.März 2020 in Holland geltende Geschwindigkeitsbeschränkung. 100 km/h Höchstgeschwindigkeit sind tagsüber auf Autobahnen nur noch erlaubt. Bei wenig Verkehr habe ich den Tempomat eingeschaltet und bei 27 C° Außentemperatur gerate ich Kilometer über Kilometer auf großzügigen Autobahnen fast in Trance. Nein, ein Vergnügen ist das nicht, muss ich, jetzt gelangweilt feststellen. So unangenehm hatte ich es mir nicht vorgestellt. Da hilft auch nicht die CD mit Musik von Bach, noch die mit Texten von Sigmund Freud, die ich im Wechsel einlege, um wach zu bleiben. Als ehemalige Schnellfahrerin dachte ich, ich könne mich auf Grund der glaubhaft positiven Auswirkungen von Geschwindigkeitsreduktionen auf die Umwelt, inzwischen wirklich auf eine solche einlassen. Nun scheinen mir aber 130 – 140 km/h dennoch die idealeren Reisegeschwindigkeiten zu sein, schon alleine um aufmerksam zu bleiben.
Wir Menschen haben uns im Laufe von mehr als 200 Jahren derart an hohe Geschwindigkeiten gewöhnt, dass es mir fast so vorkommt, als bräuchten wir genauso lange, um uns wieder an die Langsamkeit zu gewöhnen. Zu Beginn des Eisenbahnverkehrs im 19 Jahrhundert warnten die Fachleute vor Geschwindigkeiten über 30 km/h. Sie waren der Meinung, der Mensch würde dadurch Schaden am Gehirn nehmen. Nun steht uns wieder die umgekehrte Entwicklung bevor und ein bisschen irre werde ich jetzt schon, bei diesem einschläfernden Dahin schleichen.
Sei es drum, dafür geht es in Venlo völlig problemlos über die Grenze. Kurz davor konnte ich noch in der Nähe von Heinsberg, welches man in Corona Zeiten durchaus mal als Spot entlang der Route erwähnen kann, wunderschönen Spargel vom Niederrhein kaufen. Sauce Hollandaise und einen Spargelschäler, lassen hohe Erwartungen ans Abendessen und verlockende Tafelbilder vor meinem geistigen Auge entstehen.
Dass ich mich trotz und entgegen den Warnungen des Auswärtigen Amtes und der Quarantänebestimmungen der einzelnen Bundesländer auf den Weg gemacht hatte, war der positiven Bewertung ,mehrerer Faktoren geschuldet. Zum einen hatte ich von Lia gehört, dass ein deutsches Ehepaar schon am vergangenen Samstag ohne Probleme angereist war und zum anderen würde ich sozusagen in einer Ferienwohnung als Selbstversorgerin wohnen. Vollbepackt mit Lebensmitteln bräuchte ich die Wohnung nicht einmal für Einkäufe oder Essenbestellungen verlassen. Das Zimmer in dem ich so häufig unterkam befand sich in einem Hotel, welches schon vor vielen Jahren geschlossen wurde. Außer mir würden nur sehr wenige Menschen in dem großen Gebäude sein. Nur sehr selten war ich bei meinen unzähligen Besuchen einmal einem anderen Menschen im Hausflur begegnet. Für solche Fälle hatte ich eine Auswahl an Masken dabei.
Die Provinz Zeeland, in welche ich reiste, hatte ihre Beschränkungen schon in einem Stufenplan zum 01. und zum 15 Mai gelockert. Inzwischen durften 50% der Touristenbetten auch in Hotels vermietet werden und ab 29. Mai soll es weitere Lockerung geben. Selbstverständlich lockerte auch Holland seine Beschränkungen nicht ohne den Hinweis darauf, dass alles an der Entwicklung hinge, und Öffnungen auch wieder zurückgenommen werden könnten.
Besonders positiv war mir bei meinen Recherchen die Internet Seite von „Zeeland veilig“ aufgefallen. Auf dieser Webseite widmete man sich einzig jedweder Form von Sicherheit und so hatte man darauf hingewiesen, dass die stufenweisen Lockerungen zunächst einmal in erster Linie für Ruhesuchende gedacht seien. Man ging davon aus, dass auf Grund der anderweitig geltenden Einschränkungen wie z. B. der Schließung zentraler sanitärer und anderer gemeinschaftliche Einrichtungen, Trubel eh nicht entstehen könne, und demnach auch nicht zu finden sei. Eine Welt wie für mich gemacht. Diese Form des Aufenthalts (von Ruhesuchenden) bringt nach den Autoren von „Zealand veilig“ dann auch viel weniger Ansteckungsgefahr mit sich.
Na, wenn das keine überzeugenden Argumente für das Reisen zu unseren Freunden ins Nachbarland in diesen schwierigen Zeiten sind. Der Ministerpräsident von NRW hatte deshalb auch niemals in der ganzen Zeit der Krise, die Grenzen zu Holland geschlossen. Damit war diese Grenze die einzige, die während der Reisebeschränkungen immer offen gewesen war.
Für die so viel länger dauernde Fahrt werde ich bei meinem Eintreffen in Cadzand, mit einem unglaublich schönen Sonnenuntergang entschädigt. Lia hatte geduldig im Hafen auf mich gewartet, wie immer freudestrahlend überreicht sie mir die Schlüssel und eine große Zahl von Tips und Anregungen. Dann, im Zimmer angekommen, öffne ich die Fenster weit und ertrinke fast in den intensiven Farben dieses spektakulären. Sonnenuntergangs. Rot, röter geht nicht, Orange, oranger geht nicht, Gelb, gelber geht nicht. Ich bereite mir ein kleines Abendbrot, schaue noch lange aufs Meer und höre dem ewigen ein und aus der Wellen zu. Die Auswertung meiner Schlafqualität am nächsten Morgen, mittels der Gesundheitsuhr, zeigt ein überragendes Ergebnis.
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